Klausurenkurs: Hinweis auf § 3a VwVfG

19. Mai 2021 Aus Von Ralph

In der Verwaltungsstation berichtete der Dozent (ü60) uns von einer Novation an den Gerichten. Selbstverständlich unbeliebt – weil neu – und nicht jedes Gericht sei angeschlossen. Digitalnovelle ist eher ein Begriff aus dem Polit-Marketing. Jedenfalls erlaubt der § 3a Abs. 2 VwVfG die Verwendung des digitalen Schriftverkehrs, soweit diesem eine qualifizierte elektrische Signatur zugrunde liegt. Als technischer Laie und begeistungsloser Leser von Online-Werbung kenne ich die DE-Mail nach § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 VwVfG. Die Anbieter 1und1, Web, GMX und Telekom dürften wohl am Markt die Einzigen darstellen. Wie verbreitet die Dienste sind, lasse ich mal offen (denn ich habe keines und auch keinen Zugang im Bekanntenkreis). Konzept der Rechtsbehelfe nach dem VwVfG ist jedoch, den juristischen Laien in die Lage zu versetzen, sich gegen einen Verwaltungsakt zur Wehr zu setzen. Effektiver Rechtsschutz liegt nicht vor, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft oder irreführend ist (vgl. Kopp/Schenke VwGO § 58 Rn 11 f.).

In der Klausur lautete die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids:
„Gegen den Bescheid der Widerspruchsgegnerin vom 03. März 2008 steht dem Widerspruchsführer nunmehr die Klage zu. Diese ist innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Bescheides beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Robert-Stolz-Str. 20, 67433 Neustadt, E-Mail-Adresse: poststelle@vgnw.jm.rlp.de schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts zu erheben.“

Als technischer Laie besitze ich ein Emailkonto bei Microsoft oder Google. Ich schicke also eine Email an die genannte Adresse, denn eine Email entspricht elektronischer Form – so meine Vorstellung. Natürlich habe ich kein spezielles DE-Mail-Konto, da 1) die Anbieter solche nicht führen und b) eine Identifikation nicht vorgenommen wird. Mein Widerspruch erfüllt damit nicht die Form nach § 3a VwVfG.

Aus Kopp/Raumsauer VwVfG § 3a Rn. 32 ff. erahne ich, dass im Idealfall eine automatische Antwort an meine Mailadresse ergeht, die Mail sei nicht qualifiziert elektronisch signiert bzw. ist nicht von einem DE-Mail-Konto versandt worden. Daraufhin hätte ich die Zustellung in korrekter Form wiederholen müssen. Also drucke ich den Widerspruch aus und renne zur Behörde bzw. zum Faxgerät. Einen Wiedereinsetzungsgrund (schuldhaft versäumt?) sehe ich in der Praxis als eher fraglich an (Beispiel: Mail mit Widerspruch.pdf im Anhang auf 23:59 Uhr terminiert).

Meiner Auffassung nach – und so sehen Rechtsbehelfsbelehrungen in der Praxis aus – fehlt hier der Hinweis auf die Form nach § 3a VwVfG. Denn woher sonst sollte der Adressat ersehen können, welche Anforderungen an die elektronische Form gestellt werden. Allein die Kommentierung zu den Verfahren in § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 bis 4 VwVfG zeigt eine Vielfältigkeit auf, deren praktische Umsetzung (vgl. Rn. 23) hadert. Für den Verweis spricht auch die Kommentierung im Kopp/Schenke.

Überarbeitung nach Veröffentlichung BVerwG 25.01.2021 – 9 C 8.19:

tl;dr: Die elektronische Übermittlung stellt (in der Rechtsbehelfsbelehrung!) einen Unterfall der Schriftlichkeit dar und bedarf keines besonderen Hinweises.

Das dürfte das Problem wohl abschließend behandelt haben. Indem man der technischen Entwicklung durch Einführung des § 3a VwVfG Rechnung trägt (vgl. Rn 34), wird keine neue Form der Klageerhebung geschaffen (vgl. Rn 37).